Seid Ihr schon lange mehr oder weniger erfolglos auf der Suche nach Eurer Leidenschaft?
Hört Ihr von Euren Angehörigen, Freunden, Therapeuten so was wie: „Du musst nur etwas finden, das Dich ausfüllt, dann wird alles besser.“

Da könnte etwas dran sein.

Gerade neulich habe ich wieder darüber gelesen, wie wichtig es doch sei, eine Leidenschaft zu haben, etwas, das uns erfüllt. Das würde das Leben bereichern, uns zufriedener machen, ausgeglichener.
Also habe ich darüber nachgedacht, was denn Leidenschaft eigentlich ist und warum das Wort „Leiden“ darin enthalten ist, obwohl diesem Begriff doch so viel Positives zugeschrieben wird.

Wir haben es hier mal wieder mit einem Wort zu tun, das sehr individuell interpretiert wird. Die einen verstehen darunter, 60 Wochenstunden zu arbeiten.
Naja, leiden und schaffen tut man dabei auf jeden Fall.

Andere finden, wenn man den Partner Tag und Nacht okkupiert, sei das leidenschaftliche Liebe.
Definitiv, und zwar für den, der kaum noch atmen kann vor lauter Zuwendung.

Und ansonsten kann einfach alles damit gemeint sein, was viel Spaß macht und schöne Emotionen hervorruft.

Na, da etwas zu finden, dürfte doch nicht so schwer sein. Dennoch sind so viele Menschen unzufrieden und haben das Gefühl, nie anzukommen.

Denn wir suchen im Außen, was uns innen erfüllen soll, und das ist der sicherste Weg an unserer Erfüllung vorbei.

Wir werden nicht erkennen, was uns begeistert, wenn wir zum Nachbarn schielen. Es hat nichts mit Erfüllung zu tun, mindestens so lange zu arbeiten wie der Kollege. Ebenso wenig ist es Leidenschaft, obsessiv ein Ziel zu verfolgen bis zur absoluten Perfektion. Und der Anspruch, dass alles, was wir machen, easy sein muss, Spaß macht und uns absolut befriedigen soll, entspringt eher der Angst, dem gesellschaftlichen Ideal nicht zu entsprechen. Produktiv und ein nützliches Glied in der Menschenkette haben wir zu sein. Unsere Leistungsgesellschaft ist nicht geeignet, uns mit uns selbst in Kontakt zu bringen. Sie hilft uns nicht, auf unsere Bedürfnisse zu hören und unserer inneren Stimme zu folgen, wenn wir sie denn hören. Woher könnte jemand wissen, dass es seine Leidenschaft ist, eine Berghütte zu betreiben, wenn er eine fünfköpfige Familie ernähren soll und selbstständig ist. Oder einen Chef hat, der Tag und Nacht Erreichbarkeit einfordert.

Leidenschaft finden wir nicht im WAS sondern im WIE.

Da sind die Musiker, die ganz aufgehen beim Spielen Ihres Instruments. Oder der Sportler, der tatsächlich leidenschaftlich gerne läuft, ohne Leistungsstreben, sondern einfach nur, weil es unglaublich toll ist, in der Natur zu sein und dabei in Verbindung zu kommen mit seinem Körper. Oder jemand wie ich, deren Leidenschaft das Schreiben ist, weil es eine Verbindung ist zwischen meinem Innenleben, meiner Seele und dem Leben um mich herum. Weil es mir einen Zugang schafft zu mir selbst.

Doch was ist, wenn das, was uns erfüllen würde, nicht dem Mainstream entspricht und sich schwer oder gar nicht vereinbaren lässt mit dem Leben, das wir führen müssen? Das ist vermutlich die Frage, auf die sich jetzt viele eine Antwort wünschen. Aber ehrlich gesagt, ich habe keine.

Wenn irgend möglich, macht kleine Schritte zum Ziel. Lebt Euer Leben bewusst und habt den Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Tretet in Kontakt mit Euch selbst. Achtet auf die Ebenen jenseits von Spaß, Leistung oder der Illusion, Leidenschaft müsse etwas ganz Besonderes sein.

Denn tatsächlich ist es genau dieser Anspruch, der nicht Leidenschaft sondern Leiden schafft.

Leidenschaft ist, zu tun was man liebt und zu lieben, was man tut.