Ein Mythos?

Alle wollen alles: Einen tollen Job, der viel Kohle abwirft. Oder zumindest ausreichend, um unsere Freizeit und unsere Lebensart nach unseren Vorstellungen gestalten zu können. Familie, Kinder, Haustier, Haus am See und Urlaub an der See; und einen großen Freundeskreis, versteht sich! Wer den nicht hat, der macht eh was falsch. Zwei Wellness Aufenthalte pro Jahr gehen klar und der Hausheilpraktiker sollte stets abrufbar sein. Wenn er außerdem Massage kann, ist das nicht verkehrt, denn Gesundheit ist unser höchstes Gut. Selbstverständlich müssen alle Lebensbereiche dieselbe Priorität bekommen. Das hat man einfach hinzukriegen, sonst ist man ein Looser. Die anderen schaffen das schließlich auch. Denkt man, weil es so vermittelt wird. Aber man kann den Menschen immer nur vor den Kopf gucken. Man kann nur sehen, was sie zeigen wollen. Und wer zeigt schon gerne, dass er es eben nicht schafft, diesem Mainstream zu folgen, auch nicht nach der 10-ten Coaching Stunde. Natürlich nicht, denn ein ausbalanciertes Leben ist ein Mythos, und zwar einer, mit dem eine ganze Industrie ein wahnsinns Vermögen umsetzt.

Unzählige Seminare, Workshops, Bücher, Podcasts und Videos geben Rat“schläge“, was man denn tun solle, um nicht in die Burnout Falle zu laufen, wofür ein ausgeglichenes Leben ja nun mal Voraussetzung sei. Wirklich? Oder ist es vielleicht gerade dieses ständige Streben nach dem perfekten Sein und Dasein, das uns direkt auf den Highway to Burnout schickt?

Kennt Ihr noch die alten Kochherde, also die mit den vier schwarzen Herdplatten, die man immer mit so einer ekeligen Paste sauber machen musste?
Wenn alle vier Herdplatten an waren, lief jede von ihnen um ein Viertel Leistung weniger. Wollte man eine davon zu 100 % nutzen, ließ man am besten die anderen aus.
Nun stellt Euch vor, jede dieser vier Platten symbolisiert einen Lebensbereich: Arbeit, Freunde, Familie, Gesundheit, oder nehmt etwas, das für Euch wichtig ist.

Wollt Ihr Erfolg im Job, müsst Ihr Eure Zeit und Energie hier investieren. Entsprechend weniger bleibt für die Familie. Sind deren Bedürfnisse dann gedeckt, ist noch ein kleiner Rest übrig für Euer Hobby und vielleicht auch mal für eine Massage. Und wo bleibt die beste Freundin oder der beste Freund, den/die doch jeder so dringen braucht, geschweige denn ein Bekanntenkreis?

Oder geht Euch Freundschaftspflege und die gemeinsamen Interessen über alles? Tja, dann muss die Familie eben warten und die Karriere darf keine Priorität haben. Dieses Spiel könnt Ihr nun beliebig variieren.
Das Ergebnis ist immer dasselbe: Der Bereich, in den Ihr die meiste Zeit und Energie investiert, dominiert über die anderen.

Immer? Ja, im Grunde schon. Denn strebt man nach Balance, hat man zwar ein bisschen von allem, aber nichts ganz. Man verzichtet z.B. auf Erfolg, auf besondere Errungenschaften oder sogar auf Leidenschaft. Denn 100 % gibt es, wenn überhaupt, nur für genau eine Sache zu einer Zeit.
Priorisierung dagegen heißt, man kann zwar auf einem Gebiet richtig viel erreichen, muss aber dafür anderweitig Abstriche machen.
Es ist eine Frage der Entscheidung. Es kommt darauf an, Prioritäten so wählen, dass man zufrieden ist und sich ausgeglichen fühlt. Man ist dann im Gleichgewicht, wenn man so lebt, dass man die Energie zurückbekommt, die man investiert, von den Menschen, mit denen man sich umgibt und/oder von dem, was man tut.

Und noch was: Dinge ändern sich! Es bleibt nichts so, wie es ist. Kein Kompromiss ist für immer.