Über den Umgang mit Kritik und

warum es wichtig ist, Kritikfähigkeit zu üben.

Ich mag Watzlawick und seine doppelten Verneinungen.

Man kann nicht nicht kommunizieren.

Man kann nicht nicht interagieren.

Man kann nicht nicht vergleichen und man kann auch nicht nicht kritisieren.

Wo Menschen sind, ist Kritik. Man kann sie verbal äußern oder durch Mimik und Gestik, direkt oder indirekt, konstruktiv oder destruktiv, wohlmeinend oder vernichtend.

Die Beurteilung anderer wird mich weiterbringen oder zumindest nicht einschüchtern, wenn ich in diesem Moment gut drauf bin, meinen eigenen Wert kenne und mich selbst reflektieren kann. Auch gegenseitige Sympathie oder Antipathie hat sehr viel Einfluss darauf, wie gut oder schlecht ich mit Kritik umgehen kann.

Fehlt es mir jedoch an Selbstwert, wird es mir schwerfallen, irgendeinen positiven Nutzen aus den Rückmeldungen anderer ziehen zu können. Oder schlimmer noch, die Kritik meiner Mitmenschen wird mich in meinem eigenen negativen Selbstbild bestätigen. Ich werde dann entweder immer wieder andere so lange provozieren, bis sie mich abwerten, oder ich werde auf irgendeine Art und Weise zum Gegenschlag ausholen. Wenn ich mich schon früh in meinem Leben häufig in die Enge getrieben gefühlt habe oder gar verletzt wurde, werden Wut, Rückzug und nachtragendes Verhalten zur Gewohnheit.

Doch wie wir inzwischen alle wissen: Gewohnheiten lassen sich ändern.

Neben unseren erlernten Mustern hat es sehr viel mit unseren Gedanken zu tun, wie wir das einordnen, was aus unserem Umfeld an uns herangetragen wird.
Wenn Euch jemand kritisiert, kann also der erste Schritt sein, nicht sofort zu antworten, sondern die Situation aus der Vogelperspektive zu betrachten. Das ist nicht leicht, das weiß ich sehr wohl. Wortgefechte sind meist ein schnelles Hin- und Her und automatisierte Reaktionen passieren spontan. Wer dann lange überlegt, der hat oft das Nachsehen.

Trotzdem: Es ist immer besser, nach einer Weile noch mal in Ruhe auf den/die andere/n zuzugehen und das Thema wieder aufzugreifen, als durch spontane Reaktionen vielleicht etwas Wertvolles zu zerstören oder Chancen zu vergeben.

Was meine ich mit Vogelperspektive?

Fragt Euch erst mal: Stimmt das, was ich über mein Gegenüber denke? Was weiß ich über diesen Menschen?

Versucht er/sie vielleicht nur, hilfsbereit zu sein?

Dann bedankt Euch für seine/ihre Einschätzung und sagt ihm/ihr, wie es Euch damit geht. Und am besten gleich auch noch, was vielleicht hilfreich wäre.

Weiß er/sie es nicht besser, weil er/sie die Situation, um die es gerade geht, nicht aus eigener Erfahrung kennt, sondern nur seine/ihre Vorstellungen davon hat?

Fragt nach und legt Eure Position ggf. nochmal dar. Macht deutlich, worum es Euch geht. Hilft das nicht, lasst Euch nicht von Eurem Weg abbringen und tut, was Ihr für richtig haltet.

Ist er/sie vielleicht auch ein „Opfer“ seiner Muster, hat er/sie gelernt, sehr schnell mit Kritik zu reagieren?

Dann hilft es dem/der anderen möglicherweise sogar, wenn Ihr ihm/ihr Eure Wahrnehmung mitteilt. Wenn er/sie darauf abwertend reagiert, müsst Ihr überlegen, ob Ihr einen Menschen in Eurem Leben haben wollt, der Euch selten oder nie „richtig“ sein lässt.

Dasselbe gilt, wenn z.B. Neid im Spiel ist und tatsächlich versucht wird, Euch klein zu machen. Alles, was in Richtung üble Nachrede, Mobbing und ungerechte Schuldzuweisung geht, gehört geblockt.

So unangenehm Kritik sein mag, hat sie fast immer mindestens einen, für uns selbst sehr wichtigen Aspekt. Und den findet Ihr (leider) in der Regel genau da, wo es am meisten zwickt, gemäß dem Motto:

Was mich trifft, betrifft mich.

Deshalb erzählt uns vor allem unser erster Reflex auf die Meinung anderer oft sehr viel über uns selbst. Selbst- Reflexion lohnt sich also, denn daran wachsen wir.

Dennoch, wenn Ihr überzeugt seid von Eurem Tun und Eurem Weg, habt Ihr es nicht nötig, Euch zu erklären.

Man muss nicht jede Kritik annehmen.

Und was ist, wenn Ihr selbst kritisieren müsst:

Nicht aus der ersten Emotion heraus loslegen. Ein paarmal ein und ausatmen, nachdenken und dann reden.

Bringt Eure Kritik zum richtigen Zeitpunkt vor, am besten unter vier Augen oder zumindest nicht so, dass der andere sich bloßgestellt fühlt.

Bietet Alternativen an (besser so als so).

Nicht verallgemeinern, sondern konkretisieren.

Lasst Ironie weg, werdet konkret.

Verzichtet auf Superlative und auf sowas wie: Immer, dauernd, ständig, Du, Du und Du.

Kritisiert die Sache, nicht die Person und begründet Eure Meinung.

Seid fair und respektvoll. Gegenseitig ausreden lassen und auf Schimpfwörter verzichten, versteht sich von selbst.

Man kann Kritik nicht ausweichen. Deshalb ist es wichtig, Fähigkeiten zu entwickeln, damit möglichst gut und friedlich umzugehen. Wenn Ihr hier Ängste und Unsicherheiten habt, dann übt mit jemandem, bei dem Ihr Euch sicher fühlt. Fangt mit harmlosen Kleinigkeiten an und steigert Euch nach und nach. Holt Euch Feedback von Beobachtern dazu, wie Ihr wirkt, was gut war und was Ihr verbessern könntet.

„In dem Maße, wie der Wille und die Fähigkeit zur Selbstkritik steigen, hebt sich auch das Niveau der Kritik an anderen.“  (Christian Morgenstern)