Wieder mal stundenlang Netflix geschaut, obwohl die Steuererklärung dringend fertig werden muss?
Immer noch auf Insta unterwegs, trotz dem festen Vorsatz, endlich an der Masterarbeit zu schreiben? Und der Roman ist definitiv spannender als das Fachbuch?

Warum beschäftigt Ihr Euch lieber mit banalen Dingen, obwohl Ihr doch wisst, dass es Euch mehr bringen würde, Eure Ziele zu verfolgen?

Oder seid Ihr im Spektrum, und vielleicht auch noch hochbegabt? Dann geht´s Euch möglicherweise ähnlich wie mir. Ein Film muss schon sehr spannend sein, damit ich nicht nach 20 Minuten wegschalte. Und selbst wenn ich eigentlich Lust darauf habe, ein „leichtes“ Buch zu lesen, lege ich es allzu oft nach ein paar Seiten weg, weil ich mit meinen Gedanken bei der letzten Studie festhänge, die ich irgendwo einarbeiten will. Das, was man so unter Entspannung versteht, ist nicht meine größte Stärke.
Meine nicht autistischen Freunde fragen sich immer wieder, warum sich jemand tatsächlich an schönen Sommertagen lieber vor den Laptop setzt, anstatt am See zu liegen. Sie denken, ich hätte so einen inneren Einpeitscher, diesen „Du musst“ Modus, den auch viele kennen. Doch nein, das ist nicht mein Problem!

Autisten treiben oft andere Dinge an als NT, aber das Prinzip ist dasselbe.

Der Rätsel Lösung sind das „Spaßmolekül“ Dopamin und seine Wirkung.

Dopamin ist ein Neurotransmitter, der ausgeschüttet wird, wenn etwas Spaß macht und wir eine unmittelbare Belohnung erwarten. Bleiben die belohnenden Emotionen aus, haben wir eben keinen Bock.
Zur Dopaminwirkung gab es mal einen Rattenversuch. Die armen Viecher müssen leider immer herhalten, wenn wir Zweibeiner einen Beweis für unsere Annahmen brauchen.
Forscher haben Ratten Elektroden ins Gehirn gesteckt, und zwar an die Stelle, an der das Belohnungszentrum liegt. Dann wurden sie in einen Käfig gesetzt, in dem ein roter Hebel angebracht war. Man brachte die Tierchen dazu, den roten Hebel zu drücken und stimulierte dabei jeweils diesen speziellen Gehirnbereich. Das machte die Tiere crazy. Sie drücken diesen Hebel bis zur Erschöpfung, stets in der Hoffnung auf neue Belohnungsimpulse.

Doch dann wurden die Versuchsleiter gemein. Sie beendeten das schöne Spiel, indem sie die Dopaminausschüttung einfach blockierten, und plötzlich hatten die Ratten buchstäblich null Bock.
Der Hebel interessierte sie nicht mehr, sie fraßen nicht, sie tranken nicht. Sie wurden das, was wir wohl als schwer depressiv bezeichnen würden. Sie verloren ihre Lebenslust.

Aber,  jetzt wird´s interessant:

Wenn man ihnen Futter ins Maul gab, mochten sie es durchaus. Und sie fraßen es. Sie bemühten sich nur nicht mehr selbst darum.

Und damit waren gleich zwei Thesen bewiesen:

Wir brauchen Dopamin, um überhaupt den notwendigen Antrieb zu bekommen, irgendetwas zu tun.

Und:

Es ist nicht vornehmlich der körperliche Hunger, der uns motiviert, Nahrung aufzunehmen, sondern vor allem der Botenstoff Dopamin. Eine wichtige Erkenntnis für den Bereich der Essstörungen. Das nur nebenbei an dieser Stelle.

Also, wenig Dopaminausschüttung, wenig Motivation, viel Dopaminausschüttung, viel Motivation.
Die größte Wirkung hat dieser Botenstoff, wenn die Belohnung unmittelbar auf das folgt, was wir tun. Handy, Filme gucken, Social- Media, Alkohol, Zigaretten, Sex und Sport zum Beispiel, bewirken für Viele genau das: Ein sofortiges Feelgood, Bestätigung und das Verlangen nach Mehr. Denn Dopamin ist eine Droge und es verhält sich auch so. Dass wir sie nicht konsumieren müssen, sondern unser Körper sie selbst produziert, macht keinen Unterschied. Der Gewöhnungseffekt bleibt nicht aus.

Was machen wir jetzt, um wieder produktiver zu werden (oder für die Brains, besser entspannen zu können)?

Entgiften.

Wir machen einen Dopaminentzug und lassen unsere Dopaminrezeptoren heilen. (Achtung: Entwöhnung von tatsächlichen Drogen ist hier nicht Thema.)

Und wie?

 Da gibt es mehrere Strategien, die ihr ausprobieren könnt.

  1. Cold Turkey:

Sucht Euch einen Tag pro Woche, an dem Ihr so wenig Spaß wie möglich habt. Beschäftigt Euch nicht mit dem, was Euer Belohnungssystem anspricht. Jegliche externale, also äußere, Zerstreuung ist den ganzen Tag lang tabu. Ihr werdet Euch tierisch langweilen, so viel steht fest!
Spazieren gehen ohne Sport, meditieren, nachdenken, Tagebuch schreiben (MIT DER HAND, NICHT AM PC ODER HANDY!). Das und nur das ist an diesem Tag erlaubt.
Dann erweitert Ihr die spaßbefreiten Tage von einem auf drei pro Woche. Ich verspreche Euch, der Moment wird kommen, an dem Ihr Euch so nach einer Aufgabe sehnt, dass Ihr freiwillig an Eurer Masterarbeit weiterschreibt oder endlich die Steuererklärung macht. Beides!
Und das Beste ist: Euer Gehirn wird Euch jetzt für diese erledigten Aufgaben belohnen. Für das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben und nicht mehr für´s Daddeln am Smartphone.

  1. Gezielte Erlaubnis:

Anstatt tageweise zu verzichten, kann man Zerstreuung nach dem ersten „Detoxtag“ auch gezielt erlauben.
Wenn Ihr dieses System perfektionieren wollt, macht erst das, was sein muss und schwerfällt und belohnt Euch danach dafür mit Euren Lieblingsaktivitäten. Nach getaner Arbeit und für eine vorgegeben Zeit. Die Stunden mit niedriger Dopaminaktivität sollten höher sein als die mit hoher. (8:2). Das macht die Rezeptoren für Glückshormone anpassungsfähiger und das Erlernen neuer Gewohnheiten leichter.

  1. Spaß haben MÜSSEN.

Auf diese Weise kann man sich buchstäblich selbst den Spaß verderben- und zwar egal an was.

Dazu müsst Ihr mehrere Tage lang möglichst 24/7 das tun, was Ihr allzu gerne tut, um Euch abzulenken. Betonung auf „müssen“.
Netflixen nonstop, bis es jeglichen Reiz verliert. Und darüber hinaus. Wenn es schon langweilt bis zum Getno, weitermachen! Der Gewöhnungseffekt tritt nicht nur ein, sondern wird geradezu überreizt. Und schon wird´s sogar langfristig uninteressant, denn das Gehirn erinnert sich daran, wie es sich angefühlt hat, zu müssen ohne zu wollen. Nicht gut!

Diese Taktik funktioniert auch bei unvorteilhaften Ernährungsvorlieben:
Ständig Heißhunger auf Pommes? Der beste Weg, ihn loszuwerden? Gebt Euch Pommes morgens, mittags und abends und wenn sie schon nicht mehr so lecker sind, hängt noch eine Runde dran. So werdet Ihr Salat lieben lernen.

Wie immer kommt das Wichtigste zum Schluss:

Es ist überhaupt nichts gegen Spaß einzuwenden, wenn er ausgemittelt ist. Im Gegenteil. Diese Methoden sind für diejenigen, die die Hälfte des Tages damit zu kämpfen haben, Ihren Kram zu erledigen. Und dahinter kann viele mehr stecken, als die ungute Gewohnheit, sich ständig abzulenken. Was, das ist ein neues Thema.

Unsere Gesellschaft definiert Produktivität auf eine Art und Weise, die viele Menschen in ein Hamsterrad schickt, aus dem sie dann mit einem handfesten Burnout rauskatapultiert werden. Das ist mindestens genauso problematisch, wie das, was man Aufschieberititis nennt. Soziale Medien bingen uns dazu, uns ständig zu vergleichen und das tut selten gut. Allein deshalb kann einen Auszeit von Smartphones und Co. heilsam sein, denn das kann helfen, unser eigenes Genügen und unser individuelles Genug wieder zu finden.

 

Tu, was Du tun willst, bist Du tun kannst, was Du tun musst.