Das, was ich hier gleich beschreiben werde, betrifft ganz viele Menschen. Und was das alles mit AN zu tun hat, das kommt natürlich auch mit rein.
In ungezählten Coachings habe ich ungezählte Male folgendes gehört:
Woher weiß ich, wer ich bin.
Was denken die anderen.
Wie sehe ich aus, wie sehen mich andere.
Ich kann dies oder jenes nicht, weil…
Ich habe Angst, dies oder jenes zu tun, weil…
Ich kann mich nicht ausruhen, weil…
Was ist, wenn…
Ich bin (faul, fett, unwert).
Ich weiß nicht, wie ich aus diesem Außenfokus rauskomme.
Ihr habt sicher alle schon einmal von Beziehungsstilen gehört?
Optimal ist der sicher gebundene Attachment- Stile. Und der ist meiner Wahrnehmung nach auch der seltenste. Um ein sicher gebundener Beziehungstyp zu werden, darf nämlich in der frühen Entwicklungsphase der Kinderzeit nichts dazwischenkommen. Mama und Papa müssen vor allem emotional konstant für ihre Kinder da sein, was in der heutigen Zeit fast schon utopisch scheint. Die Wahrheit ist, dass es viele Eltern gibt, die arbeiten und ihre noch sehr jungen Kinder in Kinderkrippen geben müssen. Dort herrscht Personalmangel und oft genug auch Desinteresse an den ganz Kleinen. Das ist keine Vermutung, sondern leider Erfahrung. Abends sind die Eltern müde, verständlicherweise. Interaktion wird auf das absolut Notwendige reduziert. Oder ein Elternteil ist physisch oder psychisch krank, maybe narzisstisch, ein Geschwister braucht besondere Aufmerksamkeit. Und manchmal haben Eltern von ihren eigenen Bezugspersonen einfach nicht gelernt, wie man eine sichere Bindung herstellt. Auch haben nicht alle einen pädagogischen oder psychologischen Hintergrund und wissen Bescheid über dieses Beziehungsstildingens. Das kann man niemandem ernsthaft vorwerfen, und trotzdem tragen die Kinder oft lebenslang schwer an den Folgen.
Kinder, die nicht sicher gebunden werden, werden zu ängstlichen oder vermeidenden Bindungstypen (es gibt hier viele Zwischenstufen, auf die in diesem Artikel nicht näher eingegangen wird). Sie finden schwer Zugang zu eigenen Bedürfnissen und haben Schwierigkeiten, sich selbst und anderen klare Grenzen zu setzen. Das kindliche Gehirn kann nicht verstehen, dass mangelnde Aufmerksamkeit der Eltern nicht bedeutet, dass mit ihm als kleinen Menschen etwas falsch ist. Es denkt: Ich bin es nicht Wert. Emotionen, die daraus resultieren, sind Angst, Ärger, Scham und Schuld. Keine guten Voraussetzungen für ein authentisches, von Selbstwert getragenes (Erwachsenen)leben.
Wer schwer Zugang hat zu seinem Inneren, wer seine Bedürfnisse nicht spüren kann, der richtet seine Energien zwangsläufig nach außen. Der wird coabhängig, „needy“ oder abgegrenzt, und orientiert sich an folgenden inneren Dialogen:
Welcher Mensch kann mir das geben, was ich mir nicht geben kann?
Ängstliche, unsicher gebundene Menschen treffen oft auf andere, die ihnen schöntun und sie dann beschämen, ihnen Angst machen, sie mobben, dominieren, ausnutzen, benutzen und fallen lassen, oder die dieselben Themen haben und sich genauso verhalten wie sie selbst. Diese Menschen sind tatsächlich gefährdet, auf der Suche nach sich selbst in fragwürdige Gruppen zu geraten, wie z.B. Sekten. Und sie neigen zum Helfersyndrom, denn anderen helfen hilft gegen die Angst, mit sich und in sich verloren zu sein.
Vermeidende Beziehungstypen gehen soziale Beziehungen entweder gar nicht ein oder brechen sie ab, oft auf passiv aggressive, abwertende, verletzende Weise, wenn es zu nahe wird. Lieber selbst verletzen als verletzt werden, ist das Motto. Ghosting ist hier auch häufig zu finden. Diese Menschen halten es schwer aus, wenn jemand eine Erwartung an sie hat, da sie ihren eigenen Erwartungen nicht entsprechen. Und auch sie ziehen Leute in ihr Leben, die vermeiden, sich also genauso verhalten.
Welches Ziel definiert mich, macht mich wertvoll?
Kein Tun ohne Ziel. Einfach nur so, das geht nicht. Der Selbstwert hängt ab von Bestleistung im Tun, im Aussehen und in der Performance des Ego. Perfektionismus dient der Reduzierung von Angst.
Wie kann ich vermeiden, damit andere nicht schlecht über mich denken?
Soziale Interaktionen, Gewichtszunahme in der Recovery und vieles, vieles mehr wird vermieden, weil die Bindung zum eigenen Selbst so minderwertig ist, dass ein schiefer Blick von anderen, ein unbedachtes Wort, sofort schwerste Selbstzweifel auslösen.
Wer kann machen, dass es mir gut geht, dass ich Spaß und Freude habe im Leben?
Das ist das typische Opferdenken. Andere werden dafür verantwortlich gemacht, ob es einem gut geht oder nicht. Andere werden instrumentalisiert und manipuliert, weil man sich selbst nicht geben kann, was man braucht.
Sehr beliebt ist das Rationalisieren:
Ich muss so viel arbeiten, lernen, weil xyz
Tatsächlich geht es hier um die Vermeidung der Auseinandersetzung mit sich selbst, das Aushalten, einfach „zu sein“, ohne immer „zu tun“, weil man gar nicht weiß, wer man ist, man kein Vertrauen hat in sich selbst. Man weiß nur, was man tut und kann. Oder man benutzt den Job, um etwas zu entfliehen, dem man ohne diese Bindung an die Arbeit nur entkommen könnte, wenn man selbstverantwortlich eine Entscheidung trifft und danach handelt. Und man Angst hat, vor den Konsequenzen. Lieber das altbekannte Leiden als das neue Unbekannte einer Veränderung. Man sagt nicht umsonst: Er oder sie ist mit seiner Arbeit verheiratet.
Bekommt man so, wen oder was man sich wünscht, wird man so authentisch?
Nein. Nochmal zur Wiederholung:
Andere Menschen spüren, wenn sie benutzt werden, um eine Leere oder Funktion zu füllen, die nicht ihre ist. Dann ziehen sie sich zurück oder gehen anderweitig in den Widerstand, es sei denn, sie haben dasselbe Thema. Zwei mit demselben Defizit, das geht selten gut.
Wenn man ein Ziel verfolgt, weil man 100 % braucht für sein Ego, hat man verloren, bevor man angefangen hat, denn 100 % sind unerreicht.
Wenn man ständig Gründe im Außen sucht für sein Verhalten, macht man sich hilflos und bleibt verhaftet in negativen Energien.
Ungesunde Bindungen an Menschen, Zustände oder Dinge führen zu Widerstand, der dann wiederum verhindert, dass man zu sich selbst finden kann. Der Widerstand resultiert aus der Angst, nicht das zu bekommen oder zu erreichen, was man mit einer Sache, einem Zustand (AN), einem Menschen, einem Ziel verbindet, wenn man es aufgibt. Man hält daran fest, in immer denselben Gedanken- und Handlungsschleifen, weil man davon überzeugt ist, dass das eigene Leben und das eigene Dasein nur so und nicht anders aushaltbar oder funktional sein können. Man ist sich sicher, Kontrolle sei der Weisheit letzter Schluss und merkt nicht, dass man längst kontrolliert wird, vom Außen und von den eigenen abhängigen Gedanken und Verhaltensweisen. Oder von einer AN, die auch unabhängig vom Verhalten der Eltern jegliche Form von Bindungsfähigkeit zerstört, weil die, die sie haben, nichts und niemand anderen brauchen als die AN. Angst (ohne den AN Körper nicht akzeptiert zu werden), Vermeidungsverhalten (alles und alle, die wollen, dass man isst, aka die Kontrolle aufgibt), und ungesunde Anhaftung an der eigenen Gedanken- und Verhaltenswelt sind wesentliche Merkmale dieser Erkrankung. Diese wirkt in ihrer Funktion, das gesunde Ich zu untergraben und eine Scheinsicherheit zu vermitteln so stark, dass es auch nach der Wiederernährung lange dauert und viel Übung und Willen braucht, um wieder eine einigermaßen sicher Bindung zu sich selbst und damit zur Welt herstellen zu können.
Wie lernt man, das Ich und die anderen zu trennen, für ein authentisches Selbst?
Verstehen. Verstehen ist die Grundlage jeder Veränderung.
Nur wer versteht, kann reflektieren über die eigentlichen Motive seines Denkens und Handelns. Warum genau ist mir das, was andere Menschen über mich denken, so wichtig?
Man nennt das auch Shadow Work, Schattenarbeit. Der Schatten ist immer der eigentliche Grund, das, was man so dringend versucht, nicht zu sehen, zu spüren und zu fühlen.
Man stellt sich so seinen eigenen Motiven und Verhaltensweisen und übernimmt Verantwortung für sein Tun. Unbewusstes Handeln wird zum bewussten Handeln und damit zu einer Entscheidung, und zwar zur eigenen.
Der wichtigste Schritt aber ist, Eure Energie von außen nach innen zu lenken.
Konzentriert Euch auf Euch selbst. Geht rein in Euer Leben und raus aus dem anderer. Das müsst Ihr aktiv üben! Beschäftigt Euch mit Euren eigenen Zielen, die Ihr Euch selbst vorgebt, nicht die Lehrer, Eltern, Freunde oder sonst wer. Achtet auf Eure wahren Motive für Eure Ziele! Warum z.B. wollt Ihr wirklich Psychologie, Medizin, Mathe o.ä. studieren. Warum wollt Ihr überhaupt studieren? Fühlt Ihr das als Eure Leidenschaft?
Findet Eure Bestimmung. Was liebt Ihr, was macht Euch zufrieden? Auch hier: bedenkt Eure Schatten. Gerade von AN höre ich immer: Ich liebe Sport. Aber nicht zum Spaß. Nur mit Ziel. Ist das wirklich Eure Bestimmung, geht Ihr wirklich voll und ganz darin auf, um euretwillen, nicht um…zu…? Wenn es um..zu..ist, ist es nicht authentisch. Dann bekommt Ihr keine Energie davon, auch, wenn es sich so anfühlt, sondern nur einen Abklatsch von Kontrolle.
Wer wollt Ihr sein, wie wollt Ihr Leben? Macht Euch auf den Weg zu Euch selbst. Nur dann werdet Ihr authentisch. Nur dann werdet Ihr die AN vollständig los. Nur dann werden die „richtigen“ Menschen in Eurem Leben Euch wirklich sehen und euretwegen an Eurer Seite sein, nicht aufgrund Eurer Bindungsart und deren Funktion. Wer wegbleibt, wenn Ihr nach Euren Vorstellungen lebt: GUT. Dieser Mensch hätte Euch nur gehindert.
Findet Menschen, die sicher in ihrem Leben stehen, die nach Ihren eigenen Maßgaben leben, die ja sagen, wenn sie ja meinen, und nein, wenn nein. Nehmt diese Menschen als Vorbilder.
Grenzt Euch ab.
Sagt Ja, wenn Ihr Ja meint und Nein, wenn Ihr Nein meint. Watch your Shadows!
Löst Euch von äußeren Identitäten und Anhaftungen.
Lauft nicht den Trends nach. Dazugehören wollen ist verständlich, aber nicht authentisch. Nach den eigenen Maßgaben leben, selbst wenn man keine „Follower“ hat, das ist der Weg zum gesunden Selbst. Eigene Maßgaben sind nicht nur Werte, sondern auch der Anspruch an Eure körperliche Gesundheit. Was nicht guttut, muss weg, was guttut muss her. Auch wenn alle etwas anderes sagen oder tun!
Dann bin ich ja keine Veganerin/Vegetarierin/Sportlerin mehr, was denken dann die anderen? Was bin ich dann noch wert? Achtung, Falle! Falsche Bindung. Do the shadow work!
Falsche Bindung (an Werte, Menschen o.a.) erkennt man, wie die AN, immer an der Angst, sie aufzulösen und an den Angstgedanken, die sich nach außen richten.
Wir können nichts und niemanden kontrollieren, außer unsere eigenen Gedanken und unser eigenes Handeln. Alles andere ist kolossale Energieverschwendung und das Ende jeden Glücks, jeder Freiheit und jeglicher Authentizität. Ich bin ich und die anderen sind die anderen. Und wer und was sich finden soll, wird sich finden.
Identity is a Choice!
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