Eine Analogie

 Anorexie ist eine Narzisstin: Sie ist manipulativ, sie ist eitel, sie ist grandios, sie ist verlogen, sie tobt und sie schreit, wenn sie nicht recht bekommt, sie isoliert, sie stiehlt unsere Freude, unsere Hoffnung, unsere Identität und manchmal sogar unser Leben. Sie zieht uns hinein in das, was man „Shared Fantasy“ nennt, in eine geteilte Fantasie. Sie verspricht uns, dass alles perfekt sein wird, wenn wir das tun, was sie befiehlt. Sie ist dabei so überzeugend, dass wir ihr naiv glauben und allem folgen, was sie uns vorgibt. Wir ändern unser Verhalten, wir passen uns an, wir machen uns zu Co- Abhängigen eines Teiles unseres Selbst. Ihre „Flying Monkey“, ihre Helfer sind überall: in der Familie, der Gesellschaft, der Ernährungsindustrie, der Ärzteschaft usw.. Diese „Affen“, die nicht wissen, wofür sie missbraucht werden, werden zu einer quälenden Stimme, die wir für unsere eigene halten. Die uns erzählt, dass wir niemals gut genug sein können.

Die AN macht uns zu Opfern und zu Tätern zugleich. Opfer, weil wir sie nicht eingeladen haben, weil wir diese Beziehung so nie wollten, weil wir ihre gekonnt- perfiden Spiele nicht sehen konnten. Täter, weil wir uns ihr auch dann noch unterwerfen, wenn wir sie enttarnt haben, und damit uns und unsere Mitmenschen an sie verraten. Denn wenn wir endlich erkennen, dass wir ihrer Lüge verfallen sind, haben wir uns längst verloren. Unser Körper ist am Limit, die Angst ist ins Unermessliche gestiegen, wir tun alles, damit sie uns nicht bestraft. Menschen sind zu suspekten Objekten geworden, wir wissen nicht mehr, wer wir sind und was wir wollen, wir sind traumatisiert von Jahren mit diesem Monster in uns, davon, was es an uns verbrochen hat und davon, dass wir das zugelassen haben. Unsere Identität ist verschmolzen mit der der AN. Der Weg zurück zum gesunden und unabhängigen Selbst ist angstvoll, steinig, unsicher und neu. Nicht selten gehen wir deshalb nicht nur einmal zurück in den vermeintlich sicheren Hafen des Bekannten. Denn wer nicht er selbst ist, der spürt sich auch nicht. Wer Angst vor Fehlern hat, der lässt entscheiden. Wer mit Menschen unsicher ist, braucht einen Grund, sie zu meiden. Oder eine beste Freundin, die immer da ist. Die AN.

 

Die Heilung von einer AN „erfordert es, zuerst Ihren Verstand zurückzuerobern und dann Ihr wahres Selbst. Sie müssen darum kämpfen, Sie selbst zu werden. Sie müssen darum kämpfen, Ihr angeborenes Recht zurückzubekommen, für sich selbst zu denken, zu fühlen und zu handeln.“

 

Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Heilung ist die Einsicht, dass wir nicht schuld sind, und doch verantwortlich für unseren Weg in ein unabhängiges Leben. Die Erkenntnis, dass wir durch die AN manipuliert wurden, dass nicht wahr ist, was sie sagt, ist der erste Schritt zur Eigenverantwortung. Wenn wir uns auf dem Weg der Heilung bewusst machen, dass wir kein Opfer sind, sondern der gesunde Teil in uns immer da war und immer da sein wird, wird es immer leichter, ihm die Führung zu überlassen und unsere Kraft und unsere Identität neu zu entwickeln.